Beispiele für eine zusammenfassende Bodenfunktionsbewertung
Eine zusammenfassende Bewertung der Bodenfunktionen baut auf der Bewertung einzelner Bodenfunktionen auf und führt diese Einzelbewertungen zu einer planerisch verwertbaren Gesamtaussage zur Bedeutung bzw. Schutzwürdigkeit des Bodens an einem bestimmten Standort zusammen. Bodenschutzfachliche und planungsrelevante Empfehlungen zur praktischen Umsetzung einer zusammenfassenden Bodenfunktionsbewertung sind im LABO-Bericht “Orientierungsrahmen zur zusammenfassenden Bewertung von Bodenfunktionen” aufgeführt.
Der Orientierungsrahmen wurde vom Ingenieurbüro Feldwisch in Zusammenarbeit mit der Bosch & Partner GmbH, Herne erstellt und kann auf der Internetseite der LABO abgerufen werden: www.labo-deutschland.de
In der Bodenschutzpraxis werden drei wesentliche Grundtypen zur zusammenfassenden Bewertung angewendet:
a) Priorisierung einzelner Bodenfunktionen anhand
von Leitbildern oder Umweltqualitätszielen,
b) Maximalwertprinzip,
c) Mittelwertprinzip / Summenbildung.
Die drei Grundtypen werden in verschiedenen Varianten und Mischungen eingesetzt.
Beispiel Münster
Am Beispiel der Bodenkarte 1:5.000 der Stadt Münster wird der Einfluss der Methodenauswahl auf das Gesamtergebnis der zusammenfassenden Bewertung von Bodenfunktionen verdeutlicht.
Bewertung der Einzelfunktionen
Die Methode des GD NRW (2004) zur Bewertung der Einzelfunktionen weist nur die schutzwürdigen Böden aus; d. h., die Flächen mit geringen Bodenfunktionsausprägungen werden nicht dargestellt. Aus diesem Grund liegt kein flächendeckendes Bewertungsergebnis zu den Funktionsausprägungen vor. Die hierarchische Bewertungsabfolge schließt im Regelfall Überlappungen von Schutzwürdigkeiten aufgrund der unterschiedlichen Kriterien bzw. Funktionen aus. Insofern können anhand der Methode des GD NRW nicht die Auswirkungen unterschiedlicher Ansätze zur zusammenfassenden Bewertung von Bodenfunktionen beschrieben werden.
Vor diesem Hintergrund wurde zur Bewertung der natürlichen Bodenfunktionen auf die sächsischen Methoden (SMUL 2005) zurückgegriffen. Im Ergebnis liegen 5-stufige Bewertungen der Bodenteilfunktionen bzw. Kriterien „Standortpotenzial für nat. Vegetation“, „nat. Bodenfruchtbarkeit“ und „Filter und Puffer für Schadstoffe“ vor; dabei bedeutet die Klasse 1 „sehr gering schutzwürdig“ und die Klasse 5 „sehr hoch schutzwürdig“. Die Bewertung der Archivfunktionen wurde vom GD NRW übernommen; die 3-stufige Bewertung des GD NRW wurde an die 5-stufige angepasst, indem die Kategorien „schutzwürdig“, „sehr schutzwürdig“ und „besonders schutzwürdig“ nach GD in die Bewertungsklassen 3, 4 und 5 überführt wurden. Den nach GD nicht bewerteten Flächen wurde pauschal die Wertstufe 1 für die Archivfunktion zugewiesen.
Zusammenfassende Bewertung der Bodenfunktionen
Die nachstehenden beiden Kartenausschnitte zeigen die Gesamtbewertung nach dem reinen Mittel- und Maximalwertprinzip. Der Grundtyp „Priorisierung“ wird hier nicht dargestellt, weil dazu keine regionalen Leitbilder bzw. Schwerpunktsetzungen vorliegen. Deutlich treten die Schwächen dieser beiden Grundtypen hervor; das reine Mittelwertprinzip führt zu einer weitgehenden Nivellierung des Gesamtergebnisses mit einer dominanten Einstufung der Schutzwürdigkeit in die Klasse 3. Demgegenüber sind beim Maximalwertprinzip große Flächenanteile in die Klassen 4 und 5 eingestuft.
Das Beispiel unterstreicht die Notwendigkeit, durch methodische Anpassungen des Maximal- und Mittelwertprinzips den spezifischen Nachteilen entgegenzuwirken. Die Möglichkeiten zur Aufhebung der Nachteile – wie Mischformen zwischen Maximal- bzw. Mittelwertprinzip und Priorisierungen oder gewichtete Mittelwertbildung – greifen die planerischen Vorteile der Priorisierung auf.
Wird beispielsweise das Mittelwertprinzip mit der Priorisierung kombiniert, dann erhält man ein stärker differenziertes Gesamtergebnis (s. Kartenbeispiel ganz unten). Die Karte zeigt das Ergebnis der Gesamtbewertung auf der Grundlage des Mittelwertprinzips, wobei die beispielhaft priorisierte Archivfunktion dann das Gesamtergebnis bestimmt, wenn der Archivfunktionswert größer als der Mittelwert ist.
Priorisierung einzelner Bodenfunktionen als eine Möglichkeit der zusammenfassenden Bewertung
Eine andere Möglichkeit der zusammenfassenden Bewertung von Bodenfunktionen besteht in der Priorisierung einzelner Bodenfunktionen. Bei der Priorisierung werden einzelne Bodenfunktionen verbal-argumentativ auf der Grundlage landesweiter oder regionaler bzw. auf das Untersuchungsgebiet bezogener Leitbilder in ihrer Bedeutung hervorgehoben. Auf der Grundlage von Priorisierungen können regionale oder auf den Untersuchungsraum bezogene Schwerpunkte des Bodenschutzes sehr gut umgesetzt werden. Die Methode ist daher besonders empfehlenswert. Es bedarf jedoch der jeweiligen Auseinandersetzung mit dem Bodeninventar des betrachteten Raumausschnittes.
Der Grundtyp der Priorisierung wird im Folgenden wiederum am Beispiel der Stadt Münster demonstriert (siehe nachstehendes Kartenbeispiel). Dabei wird auf die Methodik des Geologischen Dienstes Nordrhein-Westfalens (GD NRW) zurückgegriffen, die als Mischtyp aus Priorisierung und Maximalwertprinzip einzustufen ist.
Die Methode des GD NRW zur Bewertung der Einzelfunktionen weist die Schutzwürdigkeit von Böden anhand einer Auswahl von Bodenfunktionen bzw. Kriterien aus. Berücksichtigt werden die Funktionen bzw. Kriterien „Standortpotenzial für nat. Vegetation“, „nat. Bodenfruchtbarkeit“ und die „Archivfunktionen“. Flächen mit geringem Bodenfunktionserfüllungsgrad werden nicht dargestellt. Aus diesem Grund liegt kein flächendeckendes Bewertungsergebnis zu den Funktionsausprägungen vor.
Die hierarchische Bewertungsabfolge schließt im Regelfall Überlappungen von Schutzwürdigkeiten aufgrund der unterschiedlichen Kriterien bzw. Funktionen aus. Insofern können im Regelfall die Bewertungsergebnisse der drei berücksichtigten Bodenfunktionen bzw. Kriterien vollständig in der Karte Gesamtbewertung wiedergegeben werden.
Lediglich die Archivfunktionen können zum Teil Überlappungen zu den beiden anderen Kriterien aufweisen. In diesem Fall wird nach den Vorgaben des GD das Bewertungsergebnis der Archivfunktionen dargestellt, d. h. die Bewertungsergebnisse der Kriterien „Standortpotenzial für nat. Vegetation“, „nat. Bodenfruchtbarkeit“ werden dann unterdrückt.
Die Bewertungsmethode des GD NRW macht eine Aggregierung der Teilergebnisse überflüssig. Mit Hilfe der Auswahl von Bodenfunktionen bzw. Kriterien, die im Regelfall planungsrelevant sind und dem Verzicht auf die Darstellung von Funktionswerten geringer Schutzwürdigkeit werden die kartografischen Inhalte so stark reduziert, dass nicht nur die Wertstufe der Schutzwürdigkeit, sondern auch die bodenschutzfachlichen Ausweisungsgründe dargestellt werden können.
© Geowissenschaftliche Daten – Bodenkarte 1:5.000: Geologischer Dienst NRW, Krefeld 52/2006
URL: http://www.gd.nrw.de
© Geobasisdaten – Topografische Karte 1:25.000: Landesvermessungsamt NRW, Bonn
URL: http://www.lverma.nrw.de
Zusammenfassende Empfehlungen
Die Einsatzmöglichkeit zusammenfassender Bodenfunktionsbewertungen in Planungs- und Zulassungsverfahren ist abhängig von der jeweiligen planerischen Fragestellung (Tab. 1). Eine zusammenfassende Bewertung soll dabei vor allem der Vereinfachung der Methodik und der Bündelung der planerischen Entscheidungskriterien dienen.
Vorrangig spielt eine zusammenfassende Bodenfunktionsbewertung im Rahmen gesamträumlicher Planungen (z. B. Regionalplanung) oder im Rahmen vorgelagerter Eingriffsplanungen (z. B. Raumordnungsverfahren) eine Rolle. Generell ist bei Eingriffsplanungen eine Wirkungsprognose und -bewertung der bodenbeeinträchtigenden Auswirkungen vorzunehmen. Methodisch ist dabei die einfache Verlustflächenbetrachtung von der Prognose und Bewertung qualitativer Beeinträchtigungen zu unterscheiden. Für diese zentralen planerischen Fragestellungen lassen sich Regelfallvermutungen zur zusammenfassenden Bewertung von Bodenfunktionen aufstellen. Während bei der Verlustflächenbetrachtung zumeist eine zusammenfassende Bewertung der Bodenfunktionen ausreicht, erfordert die Prognose und Bewertung qualitativer Auswirkungen auf Böden im Regelfall die Betrachtung der jeweils betroffenen Bodenfunktionen oder Bodenempfindlichkeiten.
Tab. 1: Empfehlungen zur zusammenfassenden Bodenfunktionsbewertung in Planungs- oder Zulassungsverfahren
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Für Fragestellungen, die auf der vorgelagerten Planungsebene auf den Schutz des Bodens vor Totalverlust (Versiegelung) abzielen, sind zusammenfassende Bodenfunktionsbewertungen sehr gut geeignet. Betrachtungen zu qualitativen Beeinträchtigungen und deren Kompensation – insbesondere auf der Zulassungsebene – benötigen dem gegenüber häufig eine differenziertere Betrachtungsweise. Je kleiner die Maßstabsebene, desto eher ist eine pauschale Betrachtung einer zusammenfassenden Bodenfunktionsbewertung sinnvoll.
Grundsätzlich besteht Methodenoffenheit bei der zusammenfassenden Bodenfunktionsbewertung. Das heißt, alle drei Grundtypen bzw. ihre Mischformen können verwendet werden. Eine einzelfallbezogene Auswahl ist jeweils zu begründen. Dabei sind die spezifischen Vor- und Nachteile der jeweiligen Methode und ihr Einfluss auf das Ergebnis zu berücksichtigen, um formal und fachlich valide Gesamtbewertungsergebnisse zu erhalten.
Eine anhand der regionalen Verhältnisse und der konkreten Ziele des Bodenschutzes begründete Priorisierung einzelner Bodenfunktionen ist gegenüber formalen Aggregationsmethoden – wie z. B. dem reinen Maximal- bzw. Mittelwertprinzip – zu bevorzugen.
Welche Bodenfunktionen als Grundlage für eine zusammenfassende Bodenfunktionsbewertung jeweils relevant sind, ist in Abhängigkeit von der jeweiligen planerischen Aufgabenstellung und – im Falle von Eingriffsplanungen – anhand der vorhabensrelevanten Wirkfaktoren zu entscheiden. Als besonders relevante Bodenfunktionen haben sich in der Praxis das Standortpotenzial für natürliche Pflanzengesellschaften, die natürliche Bodenfruchtbarkeit sowie die Archivfunktionen der Natur- und Kulturgeschichte herausgestellt. Diese vier Bodenfunktionen bzw. Kriterien sind regelmäßig bei Planungs- und Zulassungsverfahren zu bewerten und einer zusammenfassenden Bewertung zuzuführen. Weitere Bodenfunktionen wie etwa die „Funktion des Bodens im Wasserhaushalt“ oder das Kriterium „Naturnähe“ können darüber hinaus im Einzelfall Bedeutung erlangen.
Die vorgestellten Möglichkeiten zur zusammenfassenden Bewertung von Bodenfunktionen tragen zur Bündelung der Belange des vorsorgenden Bodenschutzes bei, so dass sie effektiver in planerische Abwägungsprozesse eingebracht werden können.
Danksagung
Der Orientierungsrahmen wurde im Auftrag der LABO erstellt. Den Mitgliedern des Redaktionsbeirates wird für die konstruktive Begleitung des Vorhabens gedankt. Das Vorhaben wurde gefördert aus Mitteln des Länderfinanzierungsprogramms „Wasser, Boden und Abfall 2005“.